25 JAHRE THEATERSOMMER

INTERVIEW 
Die Journalisten Peter-Maier Stein und Arnim Bauer von der Ludwigsburger Kreiszeitung im Gespräch mit den beiden künstlerischen Leitern und Regisseuren des Theatersommers Christiane Wolff und Peter Kratz

Nach dem Ende einer wieder ereignisreichen Spielzeit, wie fühlt sich die Theaterleitung?
Christiane Wolff: Zunächst einmal einfach erschöpft. So viele Vorstellungen wie dieses Jahr gab es noch nie. Ich habe Mitte März angefangen zu proben, noch mit Mützen und Wintermänteln. Und danach ging es täglich und pausenlos weiter bis zu dem Problem, dass die Hauptdarstellerin in „Harold and Maude“ kurzfristig ausgefallen ist und wir mit Johanna Hanke, die drei Wochen vor der Premiere eingesprungen ist und die ihre Sache sehr gut gemacht hat, noch zusätzlich proben mussten.

Peter Kratz:  Wir wussten, dass es anstrengend wird, zumal wir uns zum Jubiläum viel vorgenommen hatten. 115 Vorstellungen waren angesetzt, davon mussten nur 15 wetterbedingt ausfallen. Alles lief gut, genauso wie wir es uns gewünscht hatten. Und wir haben wieder über 16 500 Zuschauer erreicht. Das ist das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten.

War das 25-jährige Jubiläum für Sie eine besondere Motivation, mehr oder etwas Besonderes zu machen?
Peter Kratz:   Natürlich wollten wir zum Jubiläum etwas Besonderes machen. Wir wollten ein Vierteljahrhundert Theatersommer dokumentieren, wir wollten die Entwicklung unseres Theaters greifbar machen, wir wollten die ganz verschiedenen Stilrichtungen von Theater aufzeigen, die wir hier im Laufe der Jahre gespielt haben. All das haben wir in unserem digitalen Archiv und durch den vielschichtigen Spielplan der Jubiläumsspielzeit dokumentiert.

War der umfangreiche Spielplan der neue Standard oder ein einmaliger Jubiläumsevent?
Peter Kratz:  Eindeutig ein einmaliger Jubiläumsevent! Kein künftiger Standard. Wir waren ja schon in den letzten Jahren mit fünf Produktionen über dem Limit. Ich denke vier Produktionen sind das Maß, das der Theatergarten verträgt. Vier Produktionen stehen auch in einem guten Verhältnis zu den Fördergeldern, die wir bekommen.

Hat sich der Aufwand unterm Strich gelohnt?
Christiane Wolff:  Auf jeden Fall! Es ist ja beim Theater immer so, dass man mitten drin steckt und denkt, man überlebt das nicht, man schläft keine Nacht mehr. Und doch, am Ende steht nicht die Erleichterung, dass alles vorbei ist, sondern die Freude über die schöne Zeit, diese intensiven drei Monate Spielzeit. So denken auch die Schauspieler, ich habe schon seit Jahren kein so positives Fazit von den Mitwirkenden bekommen. Sie sagen alle, es war eine wunderschöne Zeit, obwohl sie schwer schuften mussten.

Die zum Teil gnadelose Hitze dieses Sommers, was macht die mit einer Freilichtbühne?
Christiane Wolff: Gerade das Team, das Ronja und die Sommer-Nachts-Träume machte, hat in dieser besonders heißen Zeit gespielt, oft nachmittags Ronja und abends eben Shakespeare. Beide Stücke erfordern hohen körperlichen Einsatz, so dass die Schauspieler jedes Mal durchgeschwitzt waren, als habe man sie ins Wasser geworfen. Und trotz alledem: Es war für alle eine unglaublich schöne Zeit.

Peter Kratz:  Auch wirtschaftlich war die Spielzeit ein Erfolg. Wir werden also wieder einen außerordentlich hohen Eigenfinanzierungsanteil erreichen.  Nun sind es schon das vierte Jahr in Folge über 16 000 Besucher – und dieses Jahr dazu noch mit einen Spielplan, der sich deutlich von anderen Freilichttheatern unterschied. Das macht mich auch ein bisschen stolz, denn welches Freilichttheater spielt schon Beckett oder Marlen Haushofer oder einen zeitgenössischen Autor wie John von Düffel?

Wie stark sind Sie mit Stücken von Gegenwartsautoren oder mit dem absurden Theater von Beckett ins Risiko gegangen?
Peter Kratz:   Ich habe vorher viele Menschen gefragt, ob sie John von Düffel kennen und den kannten nicht viele, obwohl er zahlreiche Bücher und Theaterstücke geschrieben hat. Und so hat das Stück dann schon vier Wochen gebraucht, um die guten Zuschauerzahlen zu erreichen, die wir am Ende vor allem dank der beiden letzten Wochen durch die Mund zu Mund-Werbung erreichen konnten. Am Ende waren es ca. 2250 Zuschauer in 17 Vorstellungen und das ist für ein zeitgenössisches Stück sehr ordentlich.

Wie kamen Sie auf dieses Stück?
Peter Kratz:  Die Uraufführung war 2014 und ich hatte es gleich nach seinem Erscheinen gelesen. Schon beim ersten Lesen sprach mich das Thema an. Außerdem passte es gut zum Jubiläum, weil sich die Handlung über eine lange Zeitperiode erstreckt. Vor allem aber spiegelt es Aspekte meiner persönlichen Entwicklung wieder. Gerade die Frage, was aus den Idealen meiner Generation geworden ist und wie sich die Lebensentwürfe seit den Siebzigern entwickelten waren ein spannendes Thema.

Und wie war es beim Ein-Personen-Stück „Die Wand“?
Christiane Wolff:  Der Roman umfasst ja mehr als 300 Seiten, ich fand die Geschichte spannend und fand es auch interessant, diesen Stoff zu einem Stück umzuschreiben. Einen Monolog hatten wir hier noch nie, ich bekam die Rechte vom Verlag und fand mit Renate Winkler eine Schauspielerin, mit der ich das gerne machen wollte. Dann stellte sich auch die Frage, ob und wie wir das auf unserer kleineren Bühne mit dem zum Teil festen Bühnenbild von Ronja verbinden können, was aber hervorragend funktioniert hat.

Wie hat das Publikum auf diese besonderen Stücke reagiert?
Peter Kratz:  Gut! Man kann natürlich sagen, dass „Sommernachtsträume“ oder auch „Harold and Maude“ die höheren Zuschauerzahlen hatten. Insofern haben diese Erfolgsproduktionen auch die außergewöhnlichen Stücke mitgetragen.  Außerdem vertrauten wir auf unser Stammpublikum und das breite Altersspektrum unserer Zuschauer. Trotz der hohen Zuschauerzahlen waren auch dieses Jahr wieder viele da, die erzählten, dass sie zum ersten Mal im Theatergarten sind. Und wir erleben immer wieder, dass Zuschauer ihre Bekannten und Verwandten mitbringen und ihnen diese Theaterstätte als etwas ganz Besonderes präsentieren. Die Teilhabe der Bevölkerung ist also ausgesprochen ausgeprägt. 

Christiane Wolff: Bei „Die Wand“ haben wir erlebt, dass die Leute bei den ersten beiden Vorstellungen trotz des Regens ausharrten. Renate Winkler hat das Stück völlig durchnässt zu Ende gespielt und die Zuschauer sind im Regen sitzen geblieben, so gebannt waren sie.

Was waren für Sie die Höhepunkte der Spielzeit?
Peter Kratz: Für mich gab es zwei Highlights. Das war zum einen die Begegnung mit John von Düffel, mit dem ich sehr viele interessante Gespräche über die Inszenierung von „Alle 16 Jahre im Sommer“ geführt habe. Mein zweites Highlight war das Konzert mit John King. Allein die Proben – drei Tage lang mit einer eigens zusammengestellten Band. Viele Regisseure wären ja gern Rockstars geworden und ich gehöre wohl auch ein wenig dazu.  

Christiane Wolff:  Mein Highlight war es, mit einem unglaublich guten und harmonischen Ensemble die „Sommernachtsträume“ einzustudieren. Die Schauspieler waren sehr motiviert, obwohl sie sehr viel proben und spielen mussten. Mein zweites Highlight war die letzte Vorstellung der „Wand“, als das Licht ausfiel und Renate Winkler auf Wunsch des Publikums das Stück quasi im Dunkeln zu Ende spielte. Zwei Leute fragten sogar, ob der Lichtausfall mit Absicht eingebaut war.

Gibt es auch schon erste Beurteilungen aus dieser Saison heraus mit Blick in die Zukunft?
Peter Kratz: Wenn wir es schaffen, jedes Jahr ein experimentelles Stück wie „Die Wand“ oder „Garten von Godot“ zu zeigen, wäre das toll. Wir haben ja jetzt als dritte Spielstätte noch die neue Rondell-Bühne. Das hängt aber auch davon ab, ob wir für solche Projekte eine Sonderförderung bekommen. Denn auch ein immer ausverkauftes Stück wie „Die Wand“ erreicht nur ca. 800 Zuschauer. Wir brauchen deshalb immer Stücke, die ein größeres Publikum ansprechen, um Experimente wagen zu können. 

Gibt es schon Überlegungen zu dem, was im kommenden Jahr passieren wird? Die meisten anderen können jetzt schon die Spielpläne für die nächste Spielzeit herausbringen, ist das kein Vorteil?
Christiane Wolff: Wir entscheiden erst um Weihnachten herum, welche Stücke und Stoffe wir uns vornehmen. 

Peter Kratz: Wir schauen in Ruhe, was die anderen machen und vor allem brauchen wir Abstand zur intensiven Spielzeit. Und dann nehmen wir uns die Freiheit, das relativ spät zu entscheiden. Unser Prinzip hat sich im Nachhinein betrachtet immer bewährt. Wir können dadurch auf neue Stücke zugreifen, die erst im Winter auf den Markt kommen, wenn die anderen Theater ihre Spielpläne schon fertig haben. Auf diese Weise gelingt es uns schon mal, Erstaufführungen wie z.B. die Bühnenadaption von „Frühstück bei Tiffany“ nach Ludwigsburg zu holen. Am wichtigsten ist jedoch, dass man durch den Abstand besser auf das reagieren kann, was die Menschen aktuell bewegt. 

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